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Late Bloomers - Zum Aufblühen ist es nie zu spät

Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Coming Out? In der Pubertät? Beim ersten Verliebtsein? Wenn man die elterliche Wohnung verlässt? Für Yvonne Ford war der richtige Zeitpunkt mit Ende 40. „Ich war 48, als ich mich in eine Frau verliebt habe. Das stellte mein Leben ziemlich auf den Kopf.“

„Late Bloomers“ (in etwa: „Spätzünder“) nennt sie Menschen, die ihre sexuelle Orientierung erst im fortgeschrittenen Alter neu entdecken und leben. „Das waren sehr turbulente Zeiten“, erinnert sich Yvonne Ford an die Zeit zurück, als sie merkte, dass sie für eine enge Freundin mehr empfand als freundschaftliche Gefühle.

Anders als bei jungen Menschen sind im Fall von Late Bloomers häufig auch die Familien sehr direkt vom Coming Out betroffen. Bei Yvonne Ford waren das ihr Ex-Ehemann und ihre vier Kinder. Ihr Umfeld reagierte zunächst mit Verwunderung. „Eltern, Geschwister, Freundinnen, Freunde, Arbeitskolleginnen – alle sagten: ‚Was? Das kann gar nicht sein!“ Denn ein Coming Out wird viel eher jungen Menschen zugeschrieben – passiert es in der zweite Lebenshälfte, sind die Reaktionen oft ungläubig.

Viele weitere Herausforderungen kommen für queere Late Bloomers hinzu. Ältere Lesben würden in der queeren Community häufig nicht mitgedacht. Es fehle an Anlaufstellen und Bewusstsein. „Für Frauen in der zweiten Lebenshälfte ist es schwieriger Orte zu finden, an denen sie Gleichgesinnte treffen können“, sagt Yvonne Ford. Ein erster kleiner Trick für mehr Sichtbarkeit: Regenbogenschmuck. „Das sind kleine Symbole, um zu zeigen: Aha, sie könnte eine von uns sein. Und das ist mir wichtig.“

Um anderen älteren Frauen das Coming Out und den Zugang zur Community zu erleichtern, engagiert sich Yvonne Ford außerdem in der Initiative „Lesbischer Herbst“. Hier können Fragen gestellt und besprochen werden, die Late Bloomers häufig beschäftigen: Wem sollte ich von meinem späten Coming Out erzählen und wem nicht? Wo finde ich ärztliche oder therapeutische Behandlung, ohne mich verstellen zu müssen? Wie finde ich eine Partnerin, die mich versteht? Wie gehe ich mit Vorurteilen gegen lesbische Frauen um – wo ich doch selbst ein halbes Leben lang oft in Klischees gedacht habe?

Yvonne Ford ist außerdem Teil der Gruppe „Treff.Punkt: Lesben 57++“ der Lesben Informations- und Beratungsstelle in Frankfurt am Main und ist dort mit einigen Frauen auch politisch aktiv. Das Engagement für Freiheit und Gleichberechtigung betrifft für Yvonne Ford nicht nur Lesben, sondern die gesamte Gesellschaft. „Alles, was dazu führt, dass Menschen diskriminiert werden, sei es Hautfarbe, sei es Alter, sei es ihr Migrationshintergrund, sei es ihre geschlechtliche Identität, ihre Wahl von Menschen, die sie lieben, müssen wir bekämpfen.“

Wer spricht?

Yvonne Ford ist vieles: Lehrerin, Autorin, Coach, Sprachtrainerin, zweifache Ehefrau, vierfache Mutter, sechsfache Großmutter, lesbische Frau. Vor allem aber ist die gebürtige US-Amerikanerin eine engagierte Streiterin für Sichtbarkeit und Gleichberechtigung. In ihrer Wahlheimat Frankfurt am Main hat die 76-Jährige vor fast zwanzig Jahren die Initiative „Lesbischer Herbst“ gegründet. Für ihr Engagement wurde sie 2020 für den „Hessischen Preis für Lesbische Sichtbarkeit“ nominiert. Außerdem ist sie in der Gruppe „Treff.Punkt: Lesben 57++“ in Frankfurt aktiv und geht gegen Ausgrenzung jeder Art auf die Straße.

Engagement in Hessen

Lesbischer Herbst

Lesbischer Herbst ist eine ehrenamtliche Initiative aus Frankfurt am Main für lesbische Frauen ab 49. Ziel der 2005 gegründeten Gruppe ist es, die Anliegen von älteren Lesben gesellschaftlich sichtbarerer zu machen. Zudem bietet die Initiative Beratungen rund um Themen wie Liebe, Sexualität, Coming Out und Älterwerden.
Website: https://www.lesbischerherbst.de/


Treff.Punkt: Lesben 57++ (LIBS)

Der „Treff.Punkt: Lesben 57++“ ist eine Gruppe unter dem Dach der Lesben Informations- und Beratungsstelle (LIBS) in Frankfurt am Main. Hier verabreden sich Frauen etwa alle sechs Wochen zum Brunch, lernen sich kennen, tauschen sich aus und schmieden Pläne für weitere Unternehmungen und das gemeinsame Engagement. Die Brunch-Termine sind offen für alle interessierten, älteren Lesben. Viele Teilnehmende kommen nicht nur aus Frankfurt, sondern auch aus dem ländlichen hessischen Raum zum „Treff.Punkt: Lesben 57++“
Website: https://libs-ffm.de/angebot/39-gruppen

Late Bloomers - was ist das eigentlich?

Als „Spätzünder“ übersetzen Wörterbücher den englischen Begriff „Late Bloomers“. Dabei trifft es die englische Metapher eigentlich besser. Schließlich ist das Coming Out auch im Fall älterer Menschen häufig dem Aufblühen eines neuen Lebensabschnitts verbunden. Gemeint sind in jedem Fall Menschen, die im fortgeschrittenen Alter ihre sexuelle Orientierung oder Identität neu entdecken und leben.

Dabei stehen sie häufig vor Herausforderungen, mit den jüngere Queers seltener konfrontiert sind: Wie sage ich es meinen Kindern? Wie beende ich meine heterosexuelle Beziehung? Wie werden Arbeitsumfeld, Freundschaften und Verwandte reagieren? Hinzukommt, dass es für ältere Menschen häufig schwerer ist, Zugang zu queeren Communitys und Gleichgesinnten zu finden. Umso wichtiger sind Angebote, die „Late Bloomers“ auf ihrem neuen Lebensabschnitt unterstützen. Denn zum Aufblühen ist es nie zu spät.

Infos zu Queerfeindlichkeit und Diskriminierung im Alter

Hessische Anlauf- und Beratungsstellen für ältere queere Menschen

Bundesweite Beratungsstellen für ältere queere Menschen

Antidiskriminierungsnetzwerke in Hessen


- AdiNet Nordhessen
- AdiNet Mittelhessen
- AdiNet Rhein-Main
- AdiNet Südhessen
 


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