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Lesben erkämpfen Sichtbarkeit

Wer fällt Ihnen ein, wenn Sie an queeres Engagement denken? Der Regisseur und Mitbegründer der deutschen LSBT*IQ-Bewegung Rosa von Praunheim? Der erste offen schwule US-Politiker Harvey Milk, der spätestens durch den Hollywood-Film „Milk“ weltberühmt wurde? Oder Berlins ehemaliger Bürgermeister Klaus Wowereit, der erste deutsche Spitzenpolitiker, der ein öffentliches Coming-out hatte und mit den berühmten Worten begann: „Ich bin schwul und das ist auch gut so“?

Queeres Engagement streitet schon seit vielen Jahrzehnten für die Sichtbarkeit von queeren Lebensrealitäten in einer heteronormativen Gesellschaft. Doch während schwule Männer in der Öffentlichkeit präsenter sind, mangelt es nach wie vor an Sichtbarkeit des Engagements und des Aktivismus von Lesben, frauenliebenden Frauen, queeren Frauen oder Dykes – die Selbstbezeichnungen sind auch in den lesbischen Communities vielfältig. Der Preis für Lesbische Sichtbarkeit der Hessischen Landesregierung will Sichtbarkeit fördern und erkennt lesbisches Engagement explizit an.

Wie viel Engagement allein von einer Person geleistet werden kann, wurde bei der diesjährigen Preisverleihung im Wiesbadener Schloss Biebrich deutlich. Die Gewinnerin Nicole Peinz hat nicht nur das Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekt SCHLAU Frankfurt mit aufgebaut und über viele Jahre angeleitet und koordiniert. Sie war auch viele Jahre im Vorstand von our generation e. V. und im queeren Zentrum KUSS41 aktiv, engagiert sich außerdem für Regenbogenfamilien und arbeitet in der Koordinierungsstelle für LSBT*IQ-Themen der Stadt Frankfurt am Main. Zudem hat sie Workshops und Bildungsangebote entwickelt, angeleitet und nachhaltig verankert. Mit ihrem langjährigen ehrenamtlichen Engagement hat sie nachhaltige Strukturen für lesbische Sichtbarkeit geschaffen und die gesamte queere Community gestärkt.


„Nimm nicht zu viel Raum ein und sei nicht zu präsent und nicht zu laut. Das sind die Botschaften, die lesbischen und anderen Frauen nach wie vor oft vermittelt werden“, sagt Peinz. Auch das sei ein Grund, warum lesbisches Engagement häufig unsichtbar bleibe: „Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass lesbisches Leben im Alltag oft gar nicht sichtbar ist und in der Community auch nur an bestimmten Orten.“

Zumindest an diesem Nachmittag war das anders. Denn die Anerkennung für ihr Engagement kam von ganz oben: „Nicole Peinz hat mit beeindruckender Kraft und hohem ehrenamtlichem Engagement beständig daran gearbeitet, dass lesbisch-queere Lebensrealitäten nicht nur toleriert, sondern akzeptiert werden“, sagte Hessens Ministerin für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales, Heike Hofmann (SPD), bei der Verleihung des mit 10.000 Euro dotierten Preises.

Wer spricht?

Nicole Peinz engagiert sich seit viel Jahren auf vielfältige Weise für die Anerkennung und Sichtbarkeit von queeren Lebensrealitäten. Unter anderem hat sie das Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekt SCHLAU Frankfurt mit aufgebaut und eine Vielzahl von Bildungs- und Workshopformaten entwickelt und begleitet. Sie hat aktiv die hessen- und bundesweite Vernetzung queerer Bildungsangebote mitgestaltet, arbeitet in der Koordinierungsstelle für LSBT*IQ-Themen der Stadt Frankfurt am Main und engagiert sich für Regenbogenfamilien. „Bei mir hat es eine Weile gedauert, bis ich sagen konnte: Ich bin lesbisch. Mir haben tatsächlich in meiner Schulzeit auch Vorbilder gefehlt und auch in der Kleinstadt kannte ich einfach keine lesbischen Personen um mich herum“, sagt Peinz. Für sie gehen deshalb persönliche Biografie und öffentliches Engagement ineinander über: „Für mich persönlich heißt lesbische Sichtbarkeit, dass ich mit meiner eigenen Biografie im Alltag sichtbar werde.“

Erika „Ricky“ Wild hat im Jahr 2022 den Preis für Lesbische Sichtbarkeit gewonnen. Sie betreibt seit 51 Jahren die Frankfurter Kneipe „La Gata“. Das macht das Lokal zur ältesten Lesbenkneipe Frankfurts, vielleicht sogar der Welt, in jeden Fall aber zu einem wichtigen Safe Space für Frauen, Lesben und Queers. „Da konnte man noch nicht Hand in Hand mit Frau laufen oder sich gar umarmen oder einen Kuss geben“, erinnert sich Wild an die Anfangsjahre ihrer Kneipe: “Und wenn sie dann hier reingekommen sind, waren sie unter sich.“


Auch Veronica „Vera“ King setzt sich unermüdlich für queeres Leben in Hessen ein, zum Beispiel als Sozialpädagogin beim Jugendamt in Kassel. Als Übungsleiterin bei DYNAMITAS Unlimited (Dynamo Windrad) organisiert sie außerdem Fußballturniere für Frauen und alle anderen Geschlechter, sie arbeitet außerdem in Theaterprojekten und organisiert den Christopher Street Day mit. „Ich möchte, dass Kids Vorbilder haben und dazu möchte ich beitragen“, sagt die gebürtige Niederländerin. Für ihr Engagement wurde King im Jahr 2020 mit dem Hessischen Preis für Lesbische Sichtbarkeit geehrt.

Engagement in Hessen

SCHLAU Hessen

SCHLAU Hessen vernetzt die regionalen ehrenamtlichen queeren Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekte hessenweit. In Workshops mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird es den Teilnehmenden ermöglicht, mit queeren Menschen ins Gespräch zu kommen und so einen niedrigschwelligen Einstieg in das große Themenfeld der sexuellen, romantischen und geschlechtlichen Vielfalt zu finden. SCHLAU Frankfurt ist ebenfalls Teil von SCHLAU Hessen.
Website: https://www.schlau-hessen.de/

 


KUSS41

KUSS41 ist ein queeres Jugendzentrum in Frankfurt am Main, das Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14 bis 27 Jahren offen steht. Das Angebot richtet sich an Menschen jeglicher sexueller Orientierungen und Geschlechteridentitäten. Auch die Treffen von SCHLAU Frankfurt finden hier statt.
Website: https://www.kuss41.de/


Schultheater Studio

Schultheater Studio ist ein theaterpädagogisches Zentrum in Frankfurt am Main. Kinder, Jugendliche und Erwachsene spielen dort Theater behandeln dabei gesellschaftliche Themen, wie Geschlechterrollen oder Inklusion. Träger des Schultheater Studios ist der Verein Kreidekreis e. V.
Internetseite: https://schultheater.de/
E-Mail: studio​schultheater.de
Telefon: 069 212 32 044


La Gata

La Gata ist das älteste hessische Lesben-Lokal. Der Club liegt in Frankfurt-Sachsenhausen, in der Seehofstraße 3 und hat montags, mittwochs, donnerstags und freitags bis sonntags geöffnet, jeweils von 21 bis 1 Uhr oder 3 Uhr in der Nacht.
Instagram: https://www.instagram.com/club_la_gata_official/


DYNAMITAS unlimited

DYNAMITAS unlimited ist das queere Team beim Kassler Sportclub Dynamo Windrad e. V. Bei Dynamitas wird nicht nur Fußball gespielt, sondern es gibt Partys, Literarische Salons und viele andere gemeinsame Aktivitäten für eine vielfältige Gesellschaft.
Internetseite: https://www.togethere-online.de/
Instagram: https://www.instagram.com/dynamitas_kassel/
E-Mail: bolztogehter​dynamo-windrad.de


CSD Kassel e.V.

Der CSD Kassel e. V. organisiert die jährliche Christopher Street Day-Demo in Kassel und gibt dazu sogar ein eigenes Magazin heraus.
Internetseite: http://csd-kassel.de/

 

Was ist der Hessische Preis für Lesbische Sichtbarkeit?

Lesbisches Engagement ist facettenreich: Lesben, frauenliebende Frauen, Dykes und Queers waren und sind bis heute häufig in der ersten Reihe der Frauenbewegungen aktiv, ebenso in den Gleichstellungs- und Emanzipationsbewegungen der Homosexuellen, in queeren Bewegungen wie den vielen Christopher Street Days und Dyke* Marches, in Anti-Gewalt-Initiativen, der Frauenhausbewegung, der 68er und Antikriegs- genauso wie in Antirassismus-, Umwelt- und Tierrechtsbewegungen. Sie haben sich auf vielfältige Weise um den gesellschaftlichen Wandel verdient gemacht.

Aber auch wenn Lesben immer ganz vorne mit dabei waren und sind und dabei hohe biografische Risiken eingegangen sind, blieben sie und ihre Perspektiven häufig unsichtbar und erfuhren eine gesellschaftliche De-Thematisierung lesbischer Lebensrealitäten. Das Eintreten für lesbische Sichtbarkeit ist eng verschwistert mit dem Widerstand gegen Erstarrung, Ausgrenzung und Pathologisierung mit dem Ziel, Gesellschaft zum Guten zu verändern. Der Mut, die Ausdauer, die Beharrlichkeit und das Engagement, die es dafür braucht, schaffen Gerechtigkeit – für Lesben, für die queere Community, für alle Menschen, denen an einem gleichberechtigten Zusammenleben gelegen ist.

Um diesen Einsatz anzuerkennen, gibt es den Hessischen Preis für Lesbische Sichtbarkeit, der seit 2020 alle zwei Jahre vom Land Hessen verliehen wird und mit 10.000 Euro dotiert ist. Die Preisträgerin 2024 ist die Mitgründerin das Bildungs- und Antidiskriminierungsprojekts SCHLAU Frankfurt, Nicole Peinz. Im Jahr 2022 und 2020 wurden Erika „Ricky“ Wild aus Frankfurt am Main und die Kasslerin Vera King mit dem Preis ausgezeichnet.

Alle Infos zum Hessischen Preis für Lesbische Sichtbarkeit gibt’s hier: https://antidiskriminierung.hessen.de/ausschreibungen/hessischer-preis-fuer-lesbische-sichtbarkeit

Infos zu Queerfeindlichkeit

Wie queerfeindlich sind Deutschland und Europa? Antworten bietet die 2020 von der EU-Grundrechteagentur veröffentlichte größte internationale Befragung zu LSBTI-Themen: „A long way to go for LGBTI equality“. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse gibt es auf der Seite des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD).

Hessische Anlauf- und Beratungsstellen für queere Menschen

Antidiskriminierungsnetzwerke in Hessen


- AdiNet Nordhessen
- AdiNet Mittelhessen
- AdiNet Rhein-Main
- AdiNet Südhessen
 


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